LIND
A Hundred Years: The Justification Of Reality Part 1 CD Digi
- Artikelnummer 33163
- Format: CD
- Genre: PROGRESSIVE
- Erscheinungsdatum: 11.06.2021
Ein geradezu fantastisches Album hat der Münchner Schlagzeuger Andy Lind dieser Tage vorgelegt: "A Hundred Years: The Justification of Reality Part 1". Der Mann ist in unserer Szene wohlbekannt, er begegnet unter anderem bei Bands wie Panzerballett, Schizofrantik oder Freaky Fukin Weirdoz, zuletzt fiel er mit dem großartigen Projekt The Ancestry Program auf.
Keine schlechten Referenzen. Lind, der bislang schon mehrere Alben unter seinem Namen veröffentlicht hat, auf denen er sich eher dem extremeren Progmetal a la Meshuggah oder Dillinger Escape Plan widmete, präsentiert auf "A Hundred Years The Justification of Reality Part 1" eine Musik, die sich zusätzlichen Einflüssen öffnet: Jenseits klassischen Jazzrocks und mittlerweile klassisch gewordenen Jazzmetals dürfte das Album Panzerballettfans ebenso gut gefallen wie Anhängern der Lyoner Art-Prog-Szene, Freunden härteren Canterburys ebenso gut wie klassischen Progmetallurgen.
Die Musik ist von einer konstanten Härte, ohne dabei aber klischeehaften Metalsounds anheim zu fallen. Schräge, verzerrte Keyboardsounds verschiedenster Couleur sorgen für eine New-Artrock-Modernität, die sie fest im Hier und Jetzt verortet. An The Ancestry Program erinnern die (oft sogar mitsingbaren) Refrains, denen man anderwärts das Etikett "poppig" umgehängt hat – sicher in gesegneter Unkenntnis dessen, was derzeit so im Popradio läuft. Denn davon ist "A Hundred Years" denkbar weit entfernt. Das Album ist vielmehr über weite Strecken ein Stahlbad in jazzigen Dissonanzen, harten Gitarrensounds und einer breit gefächerten Instrumentierung, weit entfernt von den üblichen diatonischen Belanglosigkeiten.
Hm? Ja, okay, in "Displaced and criticized" wird gerapt. Aber im gleichen Stück erklingen auch ein Piano, herrliche Vintage-Keyboards und beinahe traditionell zu nennender Jazz. Wer wissen möchte, womit man beim Hören dieses Albums konfrontiert werden wird, kann sich diesen Track als Teaser heraussuchen.
Diese Vielfalt ist sicherlich auch durch die vielen karätigen Gäste bedingt. Darunter sind namhafte Kollegen wie Jan Zehrfeld, Wolfgang Zenk, Axel Kühn, Martin Mayerhofer, Jan Eschke, Martin Kursawe und viele weitere. Wunderbar sind auch die Beiträge des Saxophonisten und Klarinettisten Axel Kühn auf einigen Stücken. Mit der teils etwas braven Stimme von Petra Scheeser musste ich mich erst anfreunden, sie sorgt aber für einen irritierenden Gegensatz zu der frenetischen Musik, die die Instrumentalisten im Auftrag Linds produzieren.
Das Album lässt einem keine Pause, und ebenso keine Ruhe. Vom ersten bis zum letzten Stück (bei mir der entzückend betitelte, zappaeske Bonustrack "Banged in the panic room") ist Andy Lind hier ein Glanzstück nach dem anderen gelungen. "A Hundred Years: The Justification of Reality Part 1" ist schon jetzt eins der besten Alben dieses Jahres. Und was noch besser ist: Wo ein Teil 1 ist, winkt ein Teil 2 – mindestens. Ich für mein – ähem – Teil würde mich auch mit mehr zufriedengeben.
Nik Brückner/BBS - 13/15 Punkten